Zurück in die Zukunft
OBJEKT
Die Architekten Schilbach und Schweitzer haben den Ritterhof Anfang des 20. Jahrhunderts geradezu visionär geplant, denn ihr Entwurf zeichnete sich schon damals durch eine bemerkenswerte Modernität aus.
Ganz so, als hätten sie geahnt, dass das Haus noch im Jahr 2024 innovativen Unternehmen ein flexibles wie inspirierendes Arbeitsumfeld bieten soll. Mit weißen Glasurklinkern gestalteten sie die Innenhöfe, um Tageslicht in die Räume zu lenken. Darüber hinaus erbaute man den Ritterhof mit einer Stahlbetonkonstruktion, die zu den ersten ihrer Art im Berliner Industriebau gehörte. Großzügige Räume mit beeindruckenden Raumhöhen bis unter den First, eine eigene „elektrische Kraftstation“ und Fahrstühle bis ins fünfte Geschoss machten den Ritterhof zu einem Vorreiter seiner Zeit. Und auch mit den unterirdischen Benzindepots und einer Zapfsäule für die ersten Automobilisten, anstelle von Pferdeställen im Hof, gehörte man um 1900 zur Avantgarde.
Was sich die Architekten bei aller Funktionalität und Flexibilität ihres Entwurfs jedoch nicht nehmen ließen, war die Schönheit: Anders als bei den üblichen schmucklosen „Mietfabriken“, versuchten die Architekten den Spagat zwischen Gewerbeensemble und prachtvollem Geschäftshaus im Stilmix aus Neorenaissance, Neobarock und beginnendem Expressionismus. Das gelungene Ergebnis macht noch heute den einzigartigen Charme des Ritterhofs aus. Nicht nur die bunt lasierte Fassade zur Ritterstraße, sondern auch der gesamte erste Hof wurde mit „vornehmer Putzarchitektur“ ausgestattet – das Werk talentierter Stuckateure und Bildhauer wie Johannes Götz, der auch an der Erbauung des Rathauses Charlottenburg und am Fassadenschmuck des Berliner Doms mitgewirkt hat. Er schuf die Statue des namensgebenden Ritters, weitere figurative Darstellungen gewerblicher Berufe sowie das Schriftrelief „Ritterhof“ im Torbogen des Gebäudes.
Detailreiche Fassade
zur Straße
Die verschiedenen Häuser und Flächen des Ritterhofs wurden schon damals von Handwerkern unterschiedlicher Gewerke genutzt – eine Qualität, die auch heute die Voraussetzung für auch kleinteiligere Vermietung bietet. Geschäftsleute aus aller Welt gingen durch den prächtigen Torbogen, um die Meisterstücke zu bewundern und zu kaufen. Schließlich galt die Ritterstraße um die Jahrhundertwende als „Goldene Meile“ Berlins, nirgendwo sonst war die Auswahl an Waren so groß, nirgendwo wurde so viel produziert und ausgestellt. Die kleine Ritterstraße war zur Handelszentrale einer Metropole aufgestiegen, mit Schaufenstern, wie es sie bis dahin nur in der Friedrichstraße und in der Leipziger Straße gegeben hatte. Grund genug für die Scheckschen Erben aus Stettin, den Ritterhof für ihre Handelsgeschäfte erbauen zu lassen. Hier herrschte ein Geist von Innovation und Produktivität, der heute mit der Kreativität digitaler Meister in einem der letzten erhaltenen Gewerbehöfe in Berlin-Kreuzberg fortgesetzt wird.
Innenhof in historischem Bestand